Chronik

Blick in die Sängerkreis-Geschichte

Mit 20 Gesellen und Arbeitern fing alles an

Das Konzert zum 125-jährigen Bestehen ist wegen der Corona-Pandemie im November 2020 nicht wie geplant möglich gewesen. Als neuer Termin steht der 16. Oktober 2022 im Terminkalender. Ein Grund mehr, einen Blick in die Geschichte zu werfen. Die Festschrift zum 100-Jährigen Bestehen, herausgegeben im Jahr 1995 vom MGV Sängerkreis Villingen 1895 e. V., ist ein besonderer Schatz. Sie hat 48 Seiten, ein handliches Format (21, cm breit, 23 cm hoch), wiegt 186 Gramm, Titel- und Rückseite mit Fotos der Vereinsfahne.

Im Vereinsarchiv gibt es nur noch ein Exemplar. Das sorgfältig zusammengestellte Heft zeigt viele Aspekte des 1895 gegründeten Vereins auf, der sich heute „Sängerkreis 1895 e.V. Villingen“ nennt. Diese Namensänderung kam deshalb, weil inzwischen gut die Hälfte der Aktiven in einem Frauenchor mit dem Namen „Just for Femmes“ (eine englisch-französische Wortwahl, übersetzt – Nur für Frauen) mit dazu beiträgt, dass der Sängerkreis den Anschluss an die Zukunft per Frauenquote gefunden hat. Inzwischen finden auch wieder mehr jüngere Männer zum Chorgesang. Für sie gibt es seit  Jahresende 2016 das Angebot, bei den VoiceBoys mitzusingen.

Doch zurück zur Arbeit des Chronisten Wilfried Mauch und aller weiteren Beteiligten an dem Druckwerk und damit zu den Wurzeln des Vereins. Als Gesangsabteilung des katholischen Arbeitervereins Villingen (später Kolpingfamilie) sind Statuten des MGV Sängerkreis aus dem Jahre 1902 dokumentiert. Sie enthalten Sängernamen und deren Eintrittsdatum aus dem Jahre 1895. Der vom damaligen Präses des Arbeitervereins, Kaplan Groß, ins Leben gerufene Sängerkreis trat bereits 1898 mit 30 Sängern bei einem Preissingen in Schwenningen auf. Er erzielte dort und auch in den folgenden Jahren erste Preise. Der Sängerkreis hatte vor Ausbruch des ersten Weltkrieges 65 Sänger. Er verlor elf aktive Sänger in den vier Jahren bis 1918.

Zu Beginn der Weimarer Republik ließen 25 Sänger den Sängerkreis 1919 wieder aufleben, jedoch nicht mehr in Abhängigkeit vom Arbeiterverein sondern als selbstständigen Verein. Zum 25. Gründungsfest im Jahr 1920 wird von einer Veranstaltung mit einem Festumzug von 40 Vereinen und 22 Fahnenabordnungen berichtet. Fünf Jahre später wurden die Statuten des Vereins überabeitet. Das Eintrittsalter für Sänger wurde von 20 auf 18 Jahre herabgesetzt. Im Jahr 1927 wurde der Chor beim Badischen Amtsgericht ins Vereinsregister eingetragen.

Der Deutsche Sängerbund als Fachverband in der Reichsmusikkammer bestätigt zum 1. Januar 1934 dem Sängerkreis Villingen, dass dieser mit seinen 130 Mitgliedern gemäß einer Anordnung des Präsidenten der Reichsmusikkammer berechtigt sei, musizierend öffentlich aufzutreten. Mit Beginn des zweiten Weltkrieges entfielen die Chorproben, weil „die Mehrzahl Sänger zum Wehrdienst einberufen wurde“, wie es im Protokoll vom 2. Oktober 1939 notiert wurde. Fünf Sänger starben in den Jahren 1939 bis 1945 im Kriegseinsatz.

Von 30 einberufenen aktiven Sangesbrüdern seien 17 zurückgekehrt, so hielt es der damalige Schriftführer fest. Erhalten geblieben ist auch die dreizeilige kurze Mitteilung des französischen Gouvernement Militaire en Allemagne vom Dezember 1946, wonach der Sängerkreis wieder als Verein anerkannt ist. Fünf Jahre danach zählte der Sängerkreis 76 aktive Sänger, hatte 63 passive Mitglieder und 17 Ehrenmitglieder. Da 1945 die Vereinsaktivitäten noch ruhten, wurde 1955 das 60-jährige Bestehen größer gefeiert. Es folgten Konzertreisen, unter anderem nach Luxemburg und alle zwei Jahre Konzerte in der Tonhalle.

Mit Schwung und harmonischer Einfühlsamkeit

Sängerkreis knüpfte vor mehr als einem halben Jahrhundert Kontakte nach Schwenningen / Wechselndes optisches Erscheinungsbild

„Männergesangverein Sängerkreis Villingen / Schw. e.V.“ findet man als Formulierung mit Datum vom 22. April 1927 in der vor 25 Jahren erschienen Festschrift, die der MGV Sängerkreis Villingen e.V. aus Anlass des hundertjährigen Vereinsbestehens herausgegeben hat.

Hatten die Sänger etwa, die im Jahre 1972 erfolgte Städtefusion von Villingen und Schwenningen  vorweggenommen? Natürlich nicht. Das „Schw“ steht für die Klarstellung, dass es sich um Villingen im Schwarzwald handelt. Aber freundschaftliche Kontakte zwischen dem badischen Villingen und dem württembergischen Schwenningen bestanden bereits.

Kantor Max Werner, der von 1966 bis zu seinem frühen Tod im 57. Lebensjahr, den Chor leitete, war auch Musiker bei der Kapelle Hildebrand in Schwenningen. Diese wiederum gestaltete die Familienabende im „Schwarzwälder Hof“ in Dauchingen mit und gab der Ehrung von langjährigen und verdienten Sängern einen würdigen Rahmen.

Das optische Erscheinungsbild des Chores wechselte zwar im Laufe der Jahrzehnte von dunklem Anzug über schwarze Hose mit weißem Hemd zu einheitlichem Auftritt mit grauer Hose, dunklem Blazer mit Wappen und gestreifter Krawatte im Jahr 1995 – es ist aber erkennbar, dass viele Mitglieder die Freude am Gesang über Jahrzehnte gepflegt haben. Sie sind damit auch zusammen älter geworden.

Kontinuierliches Üben in festgeformter Besetzung zahlte sich ganz offensichtlich aus. Das ist auch heute noch aus dem Bericht herauszulesen, der im Jahre 1975 aus Anlass des 80-jährigen Bestehens verfasst wurde. Der damals 36-jährige Oberlehrer an der Warenbergschule Alois Weinmann gab sein Debüt beim Sängerkreis. Zitat: „Alois Weinmann zeigte, dass er die Klassik genauso gut beherrscht, wie die zeitgemäße originale Chormusik. Vor allem aber beherrscht er das Instrument Chor! Ohne wild zu gestikulieren, hat er die Chöre jederzeit fest im Griff. Hervorstechende Merkmale seiner Arbeit sind Geschick, die dem Chor gerecht werdende Literatur zu finden und dann zu fordern. Exaktheit im Rhythmus, in der Dynamik und in der Textarbeit runden das Bild ab.“  Zitatende.

Bereits vor 45 Jahren hatte der Chor ein hohes Durchschnittsalter, das aber keine Schlüsse auf Beweglichkeit, Schwung oder harmonische Einfühlsamkeit zulasse, wie der Kunstkritiker schrieb. Weinmann, der im Februar 2021 im Alter von 83 Jahren gestorben ist, blieb 40 Jahre musikalischer Leiter.

Der Sängerkreis feierte nicht nur selbst sein 100-jähriges Bestehen und erhielt zu diesem Anlass die Zelter-Plakette, er gestaltete auch die 100-Jahr-Feiern des Radfahrer-Clubs 1886 Villingen und des Gesangvereins „Eintracht“ Mönchweiler mit, um nur einige zu nennen. Konzerte im Franziskaner Konzerthaus, so zum 200. Geburtstag von Friedrich Silcher, Gottesdienst-Mitgestaltungen in St. Fidelis an Weihnachten, eine Sängerreise nach Murten in der Schweiz zum 150. Geburtstag des dortigen Chores sind weitere Meilensteine in der Entwicklung bis zur Jahrtausendwende.

Viele Jahre wurde der Sängerkreis vom inzwischen verstorbenen Vorsitzenden Karlheinz Stoll geführt, dem noch 2019, wie in den Jahren davor, anlässlich der Familienfeier im Diegner Grüße übermittelt wurden. Übrigens wieder von einem Karl-Heinz, dieses Mal mit Bindestrich, so schreibt sich der Vorname des inzwischen zum Ehrenvorsitzenden ernennten Karl-Heinz Kreyer, der im Jahre 2013 in dieses Amt gewählt wurde und die Öffnung des Vereins für Frauen mit in die Wege geleitet hat. Der Vorname Karlheinz ist im Sängerkreis Vorstand prominent vertreten, denn zwischen den Vorsitzenden Stoll und Kreyer führte Karl-Heinz Laukart, der über Jahrzehnte die verschiedensten Vorstandsämter begleitet hat, den Vorsitz im Sängerkreis.

Im Nachtrag zum Wort „Villingen/ Schw“ sei erwähnt: Im Jahr des 125-jährigen Bestehens und 48 Jahre nach der Städtefusion sind Schwenninger selbstverständlich ein Teil der Sängerkreis-Familie. Da wegen der Abstandsregeln – bedingt durch die Corona-Pandemie – größere Probenräume als im Villinger Zeughaus bei mehr als 20 Sängern erforderlich sind, kommt es seit Sommer 2021 zu weiteren Berührungspunkten. Der Sängerkreis mit den Oldies, die durch den Männerchor 1887 Verstärkung erhalten haben, sowie der Frauenchor Just for Femmes proben donnerstags in den Räumen des Gesangvereins Frohsinn Schwenningen in der Austraße. Im Sommer 2022 kommt man sich außerdem durch ein gemeinsames Konzert mit dem Liederkranz Schwenningen in der Neckarhalle aus Anlass 50 Jahre Villingen-Schwenningen näher. Sängerkreis und Liederkranz haben in Dániel Sütö den gleichen Dirigenten.

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